Der energetische Mensch.

Der energetische Mensch empfindet kein Bedürfnis, sich Menschen und Dingen aufzuzwingen und einzuprägen. Er lebt aus dem erregenden Gefühl, daß Menschen und Dinge auf ihn zukommen und ihn „in das Abenteuer der Erfahrung verwickeln“. Er liefert sich nicht aus, sondern läßt geschehen. Er stimmt dem zu, was sich ereignet. Er weiß, daß es unmöglich ist, zweimal in den gleichen Fluß zu steigen (Heraklit), und hält sich frei und verfügbar. Er kommt dem schläfrigen Widerstand zuvor und ist von entspannter Wachheit. Weil er Menschen nicht festhält, gedeihen seine Beziehungen. Weil er nichts erreichen will, gelingt ihm vieles. Er zielt nicht darauf ab, eine originelle Persönlichkeit zu sein; vielmehr liegt ihm an Verständigung und Beziehung. Und doch prägt sich gerade in ihm das Leben auf eigentümliche Art aus. — Er ist kein Abhängiger, sondern ein Hingezogener, kein Unterdrücker, sondern ein Zugewandter. Was ins Leben drängt, ist nicht gegen andere, sondern zu anderen hin. Er erlebt sich mondhaft: den Schein, den er auf andere wirft, als Widerschein von deren Licht. Energetische Menschen blenden sich gegenseitig nicht, sondern genießen die Sonnenbäder, die andere ihnen schenken, und wachsen darin. Es ist kein Widerspruch, daß sie aktiver als Menschen sind, die mit Aufbietung ihres ganzen Willens nach Selbstbestätigung gieren. Denn in ihrer lockeren Offenheit ziehen energetische Menschen Energie an. Sie haben keine Worte, welche die Wortwerdung des Fleisches, keine Vorstellungsbilder, welche die Gebärde verhindern.

Peter Schellenbaum

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